Der Wachstumsmarkt Nummer Eins im Onlinehandel
Möbel aus dem Netz stellen Logistiker vor neue Herausforderungen
Kein Zweig der deutschen Wirtschaft ist in den letzten 10 Jahren so rasch gewachsen wie der Onlinehandel. Nach den Anfängen mit Büchern und CDs hat sich heute das einst als untauglich für den Onlinehandel bewertete Segment „Bekleidung und Schuhe“ zum Umsatzriesen entwickelt. Zwischen 2008 und 2013 stieg der Online-Anteil am Gesamthandelsumsatz im Segment „Mode“ von 6,2 auf 18,9%. Tendenz weiter steigend.
Dem Mode-Segment attestierten Experten lange keine Chance im Online-Handel. Der Kunde wolle auf das Kauf-Erlebnis, die Anprobe und die Beratung des stationären Handels nicht verzichten, waren die gängigen Argumente. Das Gegenteil ist inzwischen bewiesen.
Nun steht offenbar das nächste Marktsegment auf der Schwelle zum Massengeschäft. Ein Segment, das aus ganz praktischen Gründen bislang für den Fernabsatzhandel kaum in Frage kam: Möbel!
Wachstum des Online Segments
Zu teuer, online nicht gut erlebbar, logistisch zu aufwändig und zu selten gekauft. Bisher waren dies die Argumente, die gegen den Erfolg von Möbeln im Onlinehandel sprachen. Onlinehändler wie Fashion4Home, Home24 und Westwing sind angetreten, um zu zeigen, dass das Geschäft mit Sofas, Kommoden und Stühlen auch online lohnen kann. Branchengrößen aus dem stationären Handel drängen ebenso ins Online-Segment. So ist IKEA auch hier der Umsatzprimus, dicht gefolgt von Roller.
Die Aussichten für gute Wachstumszahlen im Jahr 2015 sind nicht schlecht, steht doch die Anschaffung von Möbeln bei deutschen Verbrauchern direkt nach dem Smartphone auf Platz zwei der Wunschliste.
Die Shops im Netz sind dabei so unterschiedlich wie die Wünsche der Käufer. Die Vollsortimenter IKEA und Roller treffen auf Spezialisten für Designmöbel und Wohn-Accessoires. Eine Studie des EHI Retail Instituts zeigt außerdem, dass von den 30 umsatzstärksten Online-Möbelhändlern nur ein Drittel gänzlich ohne stationäre Präsenz auskommt. Im Vergleich zum Spitzenreiter IKEA stehen alle weiteren Marktteilnehmer weit zurück, was den Umsatz in Onlinehandel angeht. Dennoch sind die Wachstumsraten seit Jahren konstant hoch.
Neue Logistikanforderungen
Wesentlich für das relativ späte Einsetzen des Wachstums im Vergleich zu anderen Segmenten des Onlinehandels waren bislang die schwierigen logistischen Anforderungen an die Neumöbellogistik. Das schiere Volumen und Gewicht der Waren ist offensichtlich. Ein Versand per Paketdienst verbietet sich daher ganz selbstverständlich.
Doch noch gravierender als die Herausforderungen an den Transport der Waren ist ihre Bereitstellung. Während im konventionellen stationären Handel für Möbel außerhalb des Mitnahmesegments Wartezeiten von nicht selten 6 und mehr Wochen die Regel sind, gilt für den Onlinehandel eine grundsätzlich andere Devise: Heute bestellt, morgen geliefert. Die etablierten Strukturen des Möbelhandels lassen derart kurze Lieferfristen jedoch nicht zu. Neue Konzepte müssen auch hier entwickelt werden.
Die uneingeschränkte und sofortige Lieferfähigkeit kann nur mit einem gut gefüllten und ideal erschlossenen Lager gewährleistet werden. Beim stationären Möbelhandel werden die Lagerkapazitäten gering gehalten. Die Möbel lagern in der Regel beim Hersteller, werden oft sogar erste auf Bestellung produziert. Lange Lieferzeiten für den Handel sind damit kaum zu vermeiden.
Dahingegen sind viele der online bestellten Möbel umgehend lieferbar oder haben nur Lieferzeiten von wenigen Tagen. Möglich wird das mit verschiedenen Modellen für das gelenkte Angebot, die Lagerung und die Distribution und von Möbeln.
Begrenztes Angebot
Eine ebenso einfache wie effektive Möglichkeit, die Lieferfähigkeit zu garantieren besteht darin, das Angebot stark zu fokussieren. Online-Möbelhändler nutzen dafür häufig in Angebotsdauer und verfügbarer Stückzahl limitierte Angebote. So kann ein genau definierter Warenbestand für einen eng begrenzten Zeitraum bereitgehalten werden.
Beschaffungsstrategie Drop Shipping
Ein Geschäftsmodell bei dem logistische Herausforderungen komplett nach Extern verlagert werden ist das Drop Shipping. Hierbei wird vom Onlinehändler Ware gehandelt, die dieser erst zum Zeitpunkt des Verkaufs bei seinen Lieferanten bestellt. Der Händler verlagert so die eigenen Logistikaufwände hin zum Lieferanten und lässt waren direkt versenden, ohne die Stücke je im eigenen Lager gehabt zu haben. Für den Händler reduziert das die eigenen Handling-Aufwendungen, erfordert aber zugleich eine enge Verzahnung zwischen Händler und dienstleistendem Hersteller.
Vorratslager für Möbel
Die Lagerung von Möbeln ist eine spezielle Herausforderung. Nicht umsonst versucht der stationäre Handel dieses schwierige Thema so gut wie möglich zu umgehen. Nicht nur sind die Objekte schwer zu handhaben, sperrig und schwer, sie sind zudem auch besonders empfindlich. Kein Kunde verzeiht auch nur den kleinsten Kratzer an der neuen Kommode.
Möbellager, die neben zerlegten Möbeln in flachen Kartons auch großvolumige Polstermöbel und nicht zerlegbare Stücke bevorraten, benötigen viel Raum. Auch sind zum Schutz der Möbel in der Regel spezielle Lagerhilfen, sogenannte Corletten nötig. Sie erleichtern den Transport der Möbel, helfen aber auch, empfindliche Oberflächen vor Beschädigungen zu schützen.
Nur ein logistisch und IT-technisch einwandfrei geführtes Lager kann die hohen Anforderungen an Flexibilität und Verfügbarkeit erfüllen, die der Onlinehandel erfordert. Erst wenn Lagerqualität und Geschwindigkeit stimmen, kann der Absatz über den Onlinekanal so reibungslos laufen, wie der Kunde es erwartet.
Zwei-Mann Handling
Für den Transport der Möbel schlägt nun die Stunde der spezialisierten Speditionen. Mit dem Modell des Zwei-Mann-Handlings schaffen sie, was der Paketdienst nicht leisten kann. Schwere und sperrige Sofas werden von zwei geschulten Fahrern bis an die Haustür geliefert. Je nach Auftrag können die Fahrer auch Montageleistungen erbringen, sie entsorgen Verpackungsmaterialien und nehmen gegebenenfalls sogar Altmöbel wieder mit. Damit ist das Dienstleistungsspektrum mindestens so gut wie im stationären Handel und womöglich sogar besser, denn das Online-Möbelhaus hat immer geöffnet und ist überall verfügbar.
Sekundärer Wachstumsmarkt Neumöbel Logistik
Die sehr speziellen Anforderungen an das Neumöbelgeschäft im Onlinehandel erfordern eine Vielzahl spezialisierter Tätigkeiten; eine ganze Reihe an unterschiedlichen Logistikern beschäftigen sich zunehmend fast ausschließlich damit. Das Wachstum der Möbelbranche im Onlinesegment ist also zugleich auch mit einem Wachstum in der Logistik verbunden. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, wird in den kommenden Jahren ein sich zunehmend verschärfender Preisdruck die Verdienstmöglichkeiten der Logistiker weiter einschränken. Sicher ist jedoch auch, dass der neue Markt für einige gut aufgestellte Spezialisten ein auf Dauer gutes Geschäft bereithält. Solide Strukturen, intelligente IT und kluge logistische Planung wird der Schlüssel zum Erfolg des einzelnen Marktteilnehmers wie der ganzen Branche sein.